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Thema: Stay | SdT 05.12.2020 (853-mal gelesen) Vorheriges Thema - Nächstes Thema - Thema abgeleitet von I'm Not Losing Sleep ...
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Stay | SdT 05.12.2020

Stay – oder der feiner Unterschied zwischen „jemanden lieben“ und „in jemanden verliebt sein“

Anfang 1976 (exakt am 3. Jan) – kurz vor der Veröffentlichung des Albums „Station to Station“ trat David Bowie in der US-Fernsehshow „Dinah Shore“ auf – einerseits um seine neue Single „Stay“ zu promoten (ab 00:55), als auch um einige hochinteressante Dinge über sich, seine Kunst und auch über die Liebe zu sagen. So erzählt er im Video - etwa um 20:50 - folgendes über seine Beziehung über Angie „Ich glaube nicht, dass „verliebt sein“ und „lieben“ irgendetwas miteinander zutun haben. So erzählt er, dass er fast uneingeschränkt zu „Liebe“ fähig ist, aber „verliebt sein“ eher für einen pathologischen Zustand hält. Auch sagt er, dass er einmal verliebt war (ja, da meint er sicher Hermione Farthingale..), sie aber auf ein fast „unmenschliches Podest“ stellte und er diesen Zustand des „Verliebtseins“ niemals mehr wiederholen möche.

Ein interessanter Gedanke, doch stellt sich in Folge natürlich die Frage, inwieweit das „Geben von Liebe“ tatsächlich uneingeschränkt möglich ist (oder meint er hier nicht doch eher Sex?) bzw. was genau diese „Liebe“ nun eigentlich ist, wenn sie auf Monogamie (..arme Angie?) vollkommen verzichtet.
Was am damaligen Interview faszinierend ist, ist, dass Bowie zwar völlig zugekokst ist und kaum Augenkontakt zu den anderen hat, gleichzeitig aber extrem offen, ehrlich, mutig und absolut nicht arrogant über wirklich fundamentale Dinge spricht.
Warum ich so lange über dieses Interview spreche? Nun, ich glaube, dass es tatsächlich der Schlüssel zu den irritierenden Lyrics von „Stay“ ist, das er gleich zu Beginn des Auftritts sehr gut – zugedröhnt und fokusisert zugleich – performt.
Ironischerweise war dieses „Neben sich stehen“ der Normalzustand David Bowies Anfang 1976 und doch gleichzeitig der Schlüssel zu (s)einer damalig eigenartigen „Authentizität“

„Stay“ ist für mich ein (großartiger) Song, dem ich seine Ursprungsgeschichte („Ich weiß, dass wir es in L.A. aufgenommen haben, weil ich es wo gelesen habe“) aber absolut glaube. Er verzichtet auf eine typische Songstruktur, lässt sich sich mit dem Intro 1:15min Zeit und endet mit einem Outro, dass ebenfalls mehr als 2min lang ist. Bowies setzt ein mit den Zeilen:

“This week dragged past me so slowly
The days fell on their knees
Maybe I'll take something to help me
Hope someone takes after me”

Machen wir uns nichts vor. Hier spricht ein zutiefst irritierter Mensch, der auch heute wieder Drogen nehmen wird und gleichzeitig hofft, dass schon jemand auf ihn aufpassen wird. Doch scheinen diese Drogen kein reiner Spaß zu sein, sondern notwendig um zumindest kurzfristig seiner Einsamkeit zu entfliehen. Doch glaubt er denn wirklich an eine Alternative zu den Drogen – eben dieses „Ding namens Liebe“? Hier sind – wie schon oben angedeutet – Zweifel angebracht, denn er ändert seine Perspektive – von der Überzeugung, dass Liebe Nonsens ist zur vagen Hoffnung, dass sie doch (über)lebenswichtig ist – innerhalb von Mikrosekunden:

„Stay, that's what I meant to say, or do something (eigentlich wollte ich sagen “Bleib doch”)
But I never say is stay this time (ich kann es nur nie im entscheidenden Moment)
I really meant to so bad this time (dabei meine ich es diesmal Ernst)
'Cause you can never really tell when somebody wants something you want too“ (andererseits muss man immer auf der Hut sein, wenn der andere etwas will, das Du auch möchtest)


Stay ist somit eher ein „Anti-Liebeslied“ für mich. Weder im Text, im stimmlichen Ausdruck noch der Instrumentierung empfinde ich ein liebevolles Empfinden.
Und wenn es stimmt, dass Kokain Gefühle abtötet, würde ich sagen, dass „Stay“ das unterkühlt-coole Resultat eines solchen „Abtötens“ ist.
Dennoch funktioniert der Song dank der großartigen Gitarrenarbeit von Earl Slick und Carlos Alomar und Bowies – damals sicherlich unbewusster Fähigeit – den Text gleichsam kalt, verzweifelt, höhnisch verlachend (emotional passt die „Crooner-Stimmt doch eigentlich gar nicht!) und dann doch verletzlich und hoffend – zu interpretieren.

PS: Schaut Euch das wirklich interessante Video an!



Antw.: Stay| SdT 05.12.2020

Antwort #2
joe!!!
mega!!!
ich kenne den auftritt und finde ihn super!!!
und ich unterschreibe sofort alles,was du geschrieben hast!!!
stay ist eine von diesen bowie übernummern,wo mir die spucke wegbleibt!!!
und da war und ist die gänsehaut sofort ab den ersten tönen garantiert!!!
nassau c.hatte ich bereits ganz früh als bootleg und kriege bis heute schnappatmung,wenn ich die version höre!!!
his voice!!!
zum niederknien!!!!

Antw.: Stay| SdT 05.12.2020

Antwort #3
me·ga-, Mega-
/ˈmeːɡa…,ˈmɛɡa…/

Präfix
1. UMGANGSSPRACHLICH EMOTIONAL VERSTÄRKEND
sehr, äußerst
"megacool, -stark"

2. EMOTIONAL VERSTÄRKEND
kennzeichnet in Bildungen mit Substantiven jemanden oder etwas als besonders groß, mächtig, hervorragend, bedeutend (als Steigerung von Super- )
"Megaprojekt, -trend"

3. bedeutet in Maßeinheiten eine Million …
"Megavolt"

Antw.: Stay| SdT 05.12.2020

Antwort #4
Mir fehlen noch die Worte an diesem frühen Samstagmorgen. Die Maßeinheit Mega scheint mir fast zu bescheiden, um dieser großartigen Analyse und diesem großartigen Song gerecht zu werden. Also atme ich erstmal tief durch und versuche einen klaren Gedanken zu fassen. Die Lyrics habe ich noch nie so seziert betrachtet. Dennoch habe ich schon immer gedacht „Stay“ annährend verstanden zu haben.

Nein, bestimmt kein Liebeslied, aber auch kein Anti-Liebeslied. Für mich war „Stay“ immer der Inbegriff der Bitte Mary Lous an Thomas Jerome Newton ihn nicht zu verlassen und bei ihm zu bleiben. Auf der einen Seite die emotionale Mary Lou und auf der anderen Seite der rationale gefühlskalte TJN, der eine Mission zu erfüllen hat. Was bleibt ist die pure Verzweiflung und die unterwürfige Bitte nach Liebe, welche unerwidert bleibt.

Als dann auch Candy Clark zum Ende der Dinah Shore Show kurz auftauchte, fühlte ich mich in dieser Interpretation vollends bestätigt. Leider war ihr Auftritt relativ kurz und nichtssagend, und daher auch ohne Erkenntnisgewinn für mich.

Die Performance von „Stay“ in der Dinah Shore Show ist in der Tat großartig. Auch hier bin ich nahezu sprachlos, die mir dargebotene Superlative in Worte zu packen. Genau ergeht es mir bei dem Auftritt zwei Jahre später im Musikladen.



Letztens habe ich mir das Bochum Konzert der "Serious Moonlight Tour" angehört und auch hier war ich voller Begeisterung über „Stay“. An diesem Abend im Zusammenspiel mit den Borneo Horns klingt „Stay“ für mich nach intimen Club-Konzert und nicht nach großem Stadion @Oogie : Bitte heute dringend hören!

Zu guter Letzt lausche ich nun gerade der 97iger Neuaufnahme „Stay `97“ und denke auch in den Neunzigern funktioniert dieser Song großartig.

Dieser Herzensbrecher lässt mich in der Tat heute sprachlos und ratlos zurück. Kein Wort, dass ich kenne wird dieser Superlative gerecht.

Antw.: Stay| SdT 05.12.2020

Antwort #5
Sorry - vergessen: aus Moonage Daydream - mega coole Seiten zu Jean Genie - kennste ja sicher!
Nö. Hab ich zwar vermutlich, aber ich hab die ganzen Bücher bisher nie gelesen 😂

Antw.: Stay| SdT 05.12.2020

Antwort #6
Ich kann mich den Komplimenten nur anschließen. Mega Song, mega Auftritt, mega Analyse!

Danke @Joe the Lion

@sway99  Auch Dein Gedanke ist interessant, TMWFTE hätte ich nicht damit in Verbindung gebracht :)

Lyrics und weitere Tubies später :)

LG Simone

Antw.: Stay| SdT 05.12.2020

Antwort #7
Stay

This week dragged past me so slowly
The days fell on their knees
Maybe I'll take something to help me
Hope someone takes after me
I guess there's always some change in the weather
This time I know we could get it together
If I did casually mention tonight
That would be crazy tonight

Stay - that's what I meant to say
Or do something, but what I never say is
Stay this time, I really meant to so bad this time
'Cause you can never really tell
When somebody wants something you want too

Heart wrecker, heart wrecker, make me delight
Life is so vague when it brings someone new
This time tomorrow I'll know what to do
I know it's happened to you

Stay - that's what I meant to say
Or do something, but what I never say is
Stay this time, I really meant to so bad this time
'Cause you can never really tell
When somebody wants something you want too

Stay - that's what I meant to say
Or do something, but what I never say is
Stay this time, I really meant to so bad this time
'Cause you can never really tell
When somebody wants something you want too

Antw.: Stay| SdT 05.12.2020

Antwort #8

Als dann auch Candy Clark zum Ende der Dinah Shore Show kurz auftauchte, fühlte ich mich in dieser Interpretation vollends bestätigt. Leider war ihr Auftritt relativ kurz und nichtssagend, und daher auch ohne Erkenntnisgewinn für mich.



Ja, Du hast recht - Wenn Candy Clark später über ihre Zusammenarbeit mit Bowie sprach, war sie ja immer gut gelaunt und sagte lächelnd, dass er während der Dreharbeiten sehr diszipliniert war und  versprach während der Dreharbeiten keine Drogen zu nehmen.  Ihr Benehmen ihm gegenüber in der Show wirkt für mich aber sehr abweisend. Er versucht sie auf die Wange zu küssen, was sie scheinbar nicht möchte und später greift er ihr liebevoll an den Arm im Sinne von "Komm, sei doch nicht so sauer auf mich..."...Komisch, irgendwie wirkt das, als hätte es da dicke Luft gegeben..

Antw.: Stay| SdT 05.12.2020

Antwort #9
Uff, es gibt wieder verdammt viele Tubies...da ist der heutige Abend wohl wieder verplant (und ich bin noch nichtmal mit "The Jean Genie" durch 🤣)


Albumversion


Harry Maslin Mix 2010


Vancouver Rehearsals 1976


Wembley 1976


Nassau Coliseum 1976 (Audio)


Live 1976


Boston 1976


Stage 1978 (Audio)


Earls Court, London 1978


Essen 1978


Cologne 1978


Detroit 1978


Adelaide 1978


Bochum 1983 (Audio; drittletzter Song)


Rehearsals 1990


Argentinien 1990


Tokyo 1990


Milton Keynes 1990


Maastricht 1990


Shepherds Bush Empire, London 1997



GQ Awards 1997


Newcastle 1997


Soylent Green 1997


Zaragoza 1997


Live 1997


1997 (Is It Any Wonder?; Audio)


Kit Kat Club 1999


Musique Plus 1999


Roseland 2000 (Audio Upgrade von Ezaube :) )


Glastonbury 2000


BBC 2000


Paris 2002


Köln 2002 (danke Ezaube)


Lucca 2002


Earl Slick 2008


David Brighton 2013


David Duchovny 2016


Celebrating David Bowie 2017


Celebrating David Bowie, NY 2017


Celebrating David Bowie 2018


Don Johnson (???) 2020


Earl Slick about...


LG Simone

Antw.: Stay| SdT 05.12.2020

Antwort #10
This week dragged past me so slowly Yes. Auf nach Bochum. 15. Juni 1983. I will be king, you will be queen...mit der SR500 einzylindrig maximal cool zum Ruhrstadion. Erst drücken wir uns vor dem Stadion rum, dann endlich - drin. Oogie ist geflasht von ihrem Bowie und ihr boyfriend freut sich, dass sie sich freut. Er gehört mit seinen Kumpels eher zur Fraktion Jazz und Co. - wir machen auf intellektuell - und sortiert Bowie eher abfällig unter "Popmusik" ein. Daher auch meine Abneigung gegen Bob Dylan und schon passt alles wieder mit allem zusammen. Zurück zum SdT: Zugabe... "Stay". Dieser Song immer einfach nur cool, cool, cool. Aus jedem Ton strömt - cool. Und mit der vortrefflichen Story von @Joe the Lion bestätigt sich das eindrücklich. Tja, der pathologisch verliebte Zustand von Bochum 1983... "Stay - that's what I meant to say" ... hielt sich noch ein paar Jahre...doch beständig blieb die Liebe zur SR500. Musste her und begleitet mich treu seit 1995. Natürlich eine "Sie"...

Ja, @sway99 danke! Das Konzert hatte ich eben auf dem Ohr - herrlich!

Und nun noch den Pegg, ihr Lieben:

Zitat
"Stay", eine von Bowies klassischen Mischformen, schafft es, gleichzeitig Funk, Soul und Hard Rock zu sein, indem er die Lead-Gitarre von Earl Slick gegen die hervorragende Rhythmusgruppe von Station To Station zur Geltung bringt. Wie David später bestätigte, ist die Akkordfolge identisch mit der der Young Americans-Auskopplung "John, I'm Only Dancing (Again)", wobei nur das etwas zügigere Tempo von "Stay" verhindert, dass die beiden Titel gleichzeitig in perfekter Harmonie gespielt werden können. Das Rhythmusgitarren-Riff, das zu den besten aller Bowie-Aufnahmen gehört, wurde von Carlos Alomar kreiert, der David Buckley sagte, dass das Stück "sehr in unserem Kokainrausch" aufgenommen wurde. Es ist ein ängstlicher Beichtstuhl über die Unergründlichkeit von Schiffen, die in der Nacht vorbeiziehen ("'Cause you can never really tell when somebody wants something you want too"), und verkörpert die Kombination aus erdrückenden Selbstzweifeln und selbstbewusster stilvoller Produktion, die sich durch das ganze Album zieht. Der Schnitt des Albums in voller Länge wurde im Sommer 1976 zur B-Seite der :)  Single "Suffragette City" von RCA; in Amerika und anderen Gebieten wurde eine stark bearbeitete 3'21"-Version als A-Seite mit einem bearbeiteten "Word On A Wing" veröffentlicht. Der 7"-Edit tauchte anschließend auf dem Soundtrack-Album Christiane F. Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo und erneut 2010 auf Station To Station auf: Deluxe-Ausgabe. Vor der Veröffentlichung von Station To Station wurde "Stay" am 3. Januar 1976 in einer exzellenten Live-Performance für die CBS-Show "The Dinah Shore Show" uraufgeführt und wurde zu einem festen Bestandteil von Bowies Konzertrepertoire, das auf den Tourneen Station To Station, Stage, Serious Moonlight, Sound + Vision, Earthling, 1999-2000 und Heathen zu sehen war. Eine hervorragende Live-Version, die am 23. März 1976 im Nassau Coliseum aufgenommen wurde, erschien 1991 in der Neuauflage von Station To Station und, in neu abgemischter Form, in Live Nassau Coliseum '76, während eine weitere hervorragende Aufnahme, diesmal vom BBC Radio Theatre-Konzert am 27. Juni 2000, auf der Bowie At The Beeb-Bonusdisc enthalten war. Ein Hattrick exzellenter Live-Aufnahmen wurde durch das Erscheinen einer schnellen, furiosen und bisher unveröffentlichten Version der Tournee von 1978 auf der Neuauflage von Stage 2005 vervollständigt.

LG
Oogie

Antw.: Stay| SdT 05.12.2020

Antwort #11
Mmmh, Bob Dylan hat jetzt aber nix mit Jazz zu tun? 😱 Ich muss zugeben, ich rede auch abfällig über Pop und bin allergisch dagegen. Bowie würde ich aber nie in diese Schublade stecken. Überhaupt Schubladen...

LG
Petra

Antw.: Stay| SdT 05.12.2020

Antwort #12
Danke, @Joe the Lion, für deinen wie immer hervorragenden Text. 

Zitat
...."Stay". Dieser Song immer einfach nur cool, cool, cool. Aus jedem Ton strömt - cool. Und mit der vortrefflichen Story von @Joe the Lion bestätigt sich das eindrücklich. ....
Dem stimme ich 100prozentig zu, @Oogie!

Antw.: Stay| SdT 05.12.2020

Antwort #13
Mmmh, Bob Dylan hat jetzt aber nix mit Jazz zu tun? 😱 Ich muss zugeben, ich rede auch abfällig über Pop und bin allergisch dagegen. Bowie würde ich aber nie in diese Schublade stecken. Überhaupt Schubladen...

LG
Petra

Ist schon klar, Petra. Deshalb Jazz und Co. ...
Ist auch nicht wichtig...sie wussten es damals halt nicht besser. Und ich damals auch nicht, woher auch. Meine Bowimania ging gerade erst los...
Schönen 🎅!!
LG
Oogie


Antw.: Stay| SdT 05.12.2020

Antwort #14
Letztendlich ist es kein Wissen, sondern Gefühl. Musik geht immer übers Gefühl. Das Wissen kam bei mir sehr viel später, nicht nur bei Bowie.

LG
Petra

 
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